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Abschied von der Hochstraße Nord

Wie spektakulär die Hochstraße in Ludwigshafen ist, wird bei dieser Nachtaufnahme, vom Rathauscenter aus fotografiert, besonders deutlich. (Bild: www.teloke.de)

Abschied von der Hochstraße Nord

Monumentaler Brückenbau wird Stadtstraße weichen

Zwei Kilometer lang und gestützt von 149 Betonsäulen – die imposante Konstruktion der Hochstraße Nord prägt die Stadt Ludwigshafen bereits seit 37 Jahren. Nun ist sie irreparabel beschädigt und soll abgerissen werden.

Monumental und marode – Netze an der Hochstraße Nord schützen vor herabfallenden Betonteilen. (Bild: Barbara Ritter)

Einst modern, jetzt marode – die Tage der Hochstraße Nord in Ludwigshafen sind gezählt. Denn ab Ende 2019 soll die monumentale, zwischen 1970 und 1981 errichtete Brückenkonstruktion abgerissen werden. Geplant ist stattdessen  eine ebenerdige Stadtstraße. Dieses enorme Infrastrukturprojekt wird das Gesicht der Stadt entscheidend verändern. Schließlich prägt das Hochstraßensystem Ludwigshafen so stark wie kaum ein anderes Bauwerk. Es besteht aus einem südlichen Teil, der weiterhin erhalten bleibt, und der Hochstraße Nord.

Die Hochstraße Nord von unten

Grund genug für den Verein Rhein-Neckar-Industriekultur, den nördlichen Teil der Hochstraße einmal von unten zu betrachten. Am Freitag, 6. April, lädt er zu einem Spaziergang unter der Hochstraße Nord. Denn aus der Perspektive eines Fußgängers bietet das Gewirr aus Straßen und Gleisen westlich der Kurt-Schumacher-Brücke ganz neue Ansichten. Geführt wird die Tour von Dr. Stefan Mörz, Leiter des Stadtarchivs Ludwigshafen. Er gibt dabei Einblicke in die Geschichte der Hochstraße.

Barbara Ritter, die zum Vorstand von Rhein-Neckar-Industriekultur gehört, betont: „Die meisten Menschen in der Metropolregion fahren über die Hochstraße Nord hinweg, doch die wenigsten kennen das waghalsige Bauwerk von ganz unten, als Fußgänger. Daher wollen wir es aus dieser Perspektive besichtigen, solange es noch steht.“

Hochstraße löst Heiratsboom aus

Die Idee zu einer Hochstraße brachten Wirtschaftswunder und Massenmotorisierung bereits in den 1950er-Jahre bei den städtischen Verkehrsplanern ins Rollen. Angesichts der Enge in der Innenstadt sollte der stark wachsende Durchgangsverkehr nach dem Vorbild amerikanischer Highways auf einer zweiten Ebene zu den Rheinbrücken geleitet werden.

Das Vorhaben hatte nicht nur städtebauliche Folgen für Ludwigshafen: „Eine der ersten Wirkungen des Hochstraßenkonzepts war ein kleiner Heiratsboom im Jahr 1957“, berichtet Stefan Mörz: „Da eine ganze Straße mit vielen Wohnungen unter der neuen Hochstraße Süd verschwinden sollte und den dortigen Familien sofort neue Wohnungen versprochen wurden – im Zeitalter der Wohnungsnot ein attraktives Angebot –, zogen viele Anwohner ihre Familiengründung vor“, schildert der Stadtarchivar eine Anekdote aus der Geschichte des Bauwerks, die es damals sogar die Zeitschrift „Bunte“ schaffte. Im Juli 1959 wurde das erste Stück der Hochstraße Süd von der erweiterten Rheinbrücke bis zur Heinigstraße eingeweiht.

Alter Bahnhof wich der Hochstraße Nord

Die Hochstraße Nord war zunächst nur für den Stadtverkehr geplant. Denn damals stand der alte Kopfbahnhof einer weitreichenderen Konzeption sprichwörtlich im Weg. Neue Chancen für die Verkehrsplaner eröffneten sich 1960. Damals wurde beschlossen, den Hauptbahnhof zu verlegen und die Fernstraßen um Ludwigshafen auszubauen. Die Stadt kaufte das Bahnhofsgelände für 57 Millionen Mark und ließ dort zwischen 1970 und 1981 die nördliche Hochstraße errichten. Die Kosten des Brückenbaus beliefen sich auf 135 Millionen Mark. Sie wurden zu rund 85 Prozent von Bund und Land getragen. Der Unterhalt der Hochstraßen blieb, wie gesetzlich vorgeschrieben, in städtischer Verantwortung.

Doch nicht nur die hohen Kosten für anstehende Sanierungen sorgten für Kritik an der Hochstraße. In der Diskussion standen bald auch ihre städtebaulichen Auswirkungen. Die Brücke beschattet weitere Teile der Grundstücke in der Nachbarschaft und die Räume unter der Brücke gelten als „Unorte“ mit unheimlicher Atmosphäre. Darüber hinaus, so die Kritik, führe die Hochstraße nicht nur schnell nach Ludwigshafen hinein, sondern auch über die Stadt hinweg nach Mannheim. So gingen der Innenstadt viele potenzielle Kunden verloren.

Nun wird die Hochstraße bald Geschichte sein und durch eine ebenerdige Straße ersetzt. Die Verantwortlichen in der Verwaltung sehen im Abriss die Chance, neue Ideen für die Stadtentwicklung Ludwigshafens zu entwickeln.